Die stark reduzierte finanzielle Bewegungsfreiheit der Gemeinden und die demokratisch drastischen Folgen

 

Zitieren wir zur Illustration einen Unverdächtigen: Thomas Henauer, FDP, Gemeinderat in Thalwil, Finanzvorstand. Er hat in der NZZ in einem bemerkenswerten Kommentar auf die Kantonal-Zürcher Bürokratie der Verwaltung hingewiesen.

Und diese Bürokratie führt er auf den weitgehend selbständig agierenden Beamtenappart zurück. (Wobei auch wir wissen, dass man heute nicht mehr von Beamten spricht, sondern von ‘Angestellten nach öffentlichem Recht’, aber immer da, wo wir der Einfachheit halber von ‘Beamten’ schreiben, meinen wird jene Angestellten-Hierarchie).

Er, der selbst der ‘Gemeinderegierung’ angehört und mit der kantonalen Verwaltung zu tun hat, eben mit «Beamten», bringt es nicht auf einen Nenner, dass seine Parteikollegen an der Spitze im kantonalen Verwaltungsapparat, die als Regierende dem verwaltenden Beamtentum ermöglichen, eine solche komplizierte Formularwirtschaft zu entwickeln. Die Täter sind für ihn nicht seine Regierungskollegen auf höherer Ebene, sondern eben die erwähnten «Beamten», die den Papierqualm entwickeln und am Dampfen halten, natürlich immer unter Kostenfolge für jeder Papier. 

Markus Somm, Historiker, Buchautor, promoviert, Linkenhasser, aber an sich begabter Journalist und Nebelspalter-Besitzer und Chefredaktor, (das allerdings ein finanziell gefährdetes Unternehmen mit hohem Absturzpotential) zitiert Henauer in seinen täglichen «Somms Memo» vom 15. April 2025 und erwähnt an erster Stelle, dass 10 - 15 Prozent der Gemeindeinnahmen von der Grundstückgewinnsteuer stammen. Das bedeutet, wer ein Haus verkauft, muss einen grossen Teil seines Gewinnes dem Staat abliefern. Somm meint, dass diese Steuer abgeschafft gehöre. Diese Aussage ist immerhin eine Überlegung wert, denn muss der Staat wirklich überall, wo zwei Menschen miteinander einen Handel abschliessen, ständig und überall seine gierigen Fingerli drin haben?

Erwähnt wird diese Steuer deshalb, weil nun auch im Kanton Zürich ein Teil dieser Erträge dem Kanton zugeführt werden sollte. Und damit kommen wir zur Hauptaussage:

Den Gemeinden wird durch den Verwaltungsapparat und abgesegnet durch Regierung und Kantonsrat, zunehmend so begegnet, dass sie - die Gemeinden - immer weniger über selbst zu verwaltende Mittel verfügen dürfen.

 

Dazu einige Zahlen
2019 verfügte der Kanton Zürich über ca. 7 Mia. Franken Einnahmen. 2023 bereits über 8 Mia. Henauer argumentiert, der Kanton verfüge über genug Geld, er hätte bereits einen Überschuss von 2,5 Mia Franken erwirtschaftet bzw. den Steuerzahlenden abgeknöpft.

Mit der logischen Folge: Je mehr der Kanton den Gemeinden wegnimmt, desto weniger Mittel haben sie, die Gemeinden, um ihre eigenen Projekte und Vorhaben in eigener Kreativität – im günstigsten Falle mit der Bevölkerung zu realisieren.

Und nun, um zum Punkt zu kommen: Die Gemeinden im Kanton Zürich, dürfen nur zu einem Viertel ihrer Einnahmen darüber relativ frei verfügen. Ganze drei Viertel sind von Bund und Kanton vorgegebene Ausgaben.

Zitat Somm in seinem Memo:

  • Der erwähnte kommunale Finanzvorstand hat einfach die Ausgaben zu bewilligen, die ihm der Kanton zum Bewilligen vorlegt.
  • Wie zu Zeiten Napoleons in Frankreich wird Gemeinderat Henauer zum Präfekten in der Provinz, der zwar einen pompösen Titel trägt «Finanzvorstand», aber er hat kaum mehr etwas zu sagen, Paris, pardon Zürich diktiert.

Hier allerdings müsste dem Autor Somm eine wichtige Ergänzung abgerungen werden: «Zürich», also Regierung und Verwaltung des Kantons, kann nicht einfach so diktieren. Wenn die Regierung handelt, und im Vorfeld seine erwähnten Beamten vorschickt, dann können diese zwar durch Verordnungen und ausgeklügelte, bisweilen mit Finessen und Hinterlist austarierten Erlasse verfassen. Aber das alles beruht auf Gesetzen, die der mehrheitlich bürgerliche, der FDP nahestehende Kantonsrat als Gesetze gebilligt hat.

Dazu Somm in seiner klaren Sprache:

  • «Mit seinem Geldhunger und seiner
  • Regulierungswut und seinem
  • Zentralisierungswahn

zerstört der Kanton – gemeint ist die Regierung  samt Beamtenapparat – die Gemeindeautonomie und damit den jahrhundertealten Föderalismus unseres Landes».  

Föderalismus: Das bedeutet, dass wir drei hierarchisch gegliederte Verwaltungseinheiten pflegen: Gemeinde, Kanton und Bund, wobei jede Ebene möglichst viel Selbständigkeit entfalten darf. Dazu gehört auch die Subsidiarität. Dieser Begriff besagt, dass Aufgaben erst dann von einer höheren Ebene übernommen werden sollten, wenn dadurch die Kraft der kleineren Einheit überfordert würde. So kann es nicht sinnvoll sein, wenn z.B. die Armee von den Gemeinden aus organisiert würde. Das ist ganz klar Bundesaufgabe. Aber das Schulwesen z.B. gehört zur Gemeindeebene, wobei auf höherer Ebene eine Koordination stattfinden sollte. Da erweist es sich als Fehler, dass unser Schulsystem, was die Auswahl der Stoffvermittlung betrifft, diese nicht auf Bundesebene erfolgt. In Zeiten hoher Mobilität, in denen oft umgezogen wird, erweist sich das als grosser Nachteil, auch wenn man davon derzeit nicht allzu oft redet.

Der Bürger wird zum Untertan – oder:  Die Abwesenden haben immer Unrecht
Fazit:

  1. Den Gemeinden wird ständig mehr Verfügungsgewalt über finanzielle Mittel genommen.
  1. Dadurch verliert die Gemeindepolitik an Bedeutung. Die Folge davon:
  1. Die Bürger wenden sich desinteressiert ab und informieren sich auch nicht mehr. (Miese Beteiligung an Gemeindeversammlungen, Behördenwahlen mit z.B. 28% Beteiligung).
  1. In Anbetracht des offenbar noch immer genuin vorhandenen Vertrauens in Gemeindebehörden und -Verwaltung gilt derzeit noch das Motto: «Die machen es schon gut»

 

  1. Es entstehen in Behördenkreisen verhängnisvolle Freiräume, die dem behördlichen Versagen und gekonntem Wegschauen Tür und Tor öffnen. Die Kameraderie bis auf Bezirksebene treibt bisweilen ein deutliches Eigenleben, jenseits dem Informationskreis der Bevölkerung, die kaum je etwas von vorkommendem seltsamem Treiben eine Ahnung hat.

In der Folge weiterer Beiträge  werden manche Beispiele zu finden sein, die diesen Tatbestand belegen und illustrieren.

Zum Abschluss dieses Beitrages kann gesagt werden: «Was den Gemeinden widerfährt, geschieht auch in den vermeintlich mächtigen Kantonen. Der Bund reguliert immer mehr, und die Kantone haben nur noch zu vollziehen. (zitiert, aber etwas abgeändert und ergänzt nach Somm).