Umgang mit Bürgern, die mit Gemeindeerlassen nicht einverstanden sind

Umgang mit Bürgern, die mit Gemeindeerlassen nicht einverstanden sind

Es wird immer wieder schriftlich und mündlich auf Gesetze und Verordnungen verwiesen.

Alles formaljuristisch bestens abgesichert.

Und es wird dem fragenden und ratlosen Bürger in der persönlichen Begegnung vermittelt, dass man da absolut keinen Spielraum habe. Mit anderen Worten, es wird im nonverbal mitgeteilt.: «Du kannst dich einstellen wie du willst, wir sind im Recht und du hast unseren Erlass zu schlucken, sei ruhig und gehe nach Hause und bezahle uns, was zu bezahlen ist.  Und wenn es dir nicht passt, werden dir weitere kostenpflichtige Erlasse aufgebrummt».



Reaktionen der betroffenen Bürger

Je nach Charakter und Temperament


- Der Entscheid wird akzeptiert.

- Der Entscheid wird weitergezogen. Ein Anwalt, der dem Betroffenen Tausende und Abertausende Franken abnimmt oder abnehmen würde, und ihm Hoffnung macht, gegen den Entscheid erfolgreich rekurrieren zu können, wird beauftragt, an die nächst höhere Instanz zu gelangen. Fakt ist aber, dass der Anwalt der Gemeinde sich schon längst abgesichert und mitgeholfen hat, den Gemeinderatsbeschluss juristisch so zu formulieren, dass dieser, wie man so sagt, wasserdicht ist.


Deshalb sind solche Schreiben gespickt mit Hinweisen auf Gesetzesartikel, alles abgekürzt, sodass sie dem Laien nichts sagen. Würde der betroffene Bürger diese Gesetze kennen und verstehen, würde er vielleicht feststellen, welche Artikel im Schreiben der Gemeinde wohlweislich nicht erwähnt worden sind. Vielleicht gibt es da sogar einen Gesetzesartikel, der verlangt, dass die «Verhältnismässigkeit» der angeordneten Massnahme gewährleistet sein müsse. Daraus ergibt sich Spielraum, auf den sich der eingeschaltete Anwalt berufen kann und es entsteht ein schmales Band der Hoffnung.

Realistischerweise muss gesagt werden, dass Rekurse eine geringe Chance haben, zu Gunsten des Betroffenen Gemeindebürgers auszufallen. Denn nebst den Gesetzesartikeln gibt es auf juristischer Ebene noch die Judikatur (Auslegung und konkrete gerichtliche Anwendung vom gültigen Recht). Das ist  - vereinfacht gesagt - die Gerichtspraxis d.h. vorgängig in der betreffenden Sache bisher gefällte Urteile, die für nachfolgende Urteile massgebend sind und ihre Wirkung nachhaltig entfalten. Man spricht in diesem Fall auch von einem Präjudiz (Entscheidung eines oberen Gerichts mit Leitbildfunktion für ähnliche künftige Rechtsfälle, nach Oxford Languages).

Das alles wissen Laien nicht und der eingeschaltete Anwalt wird im ersten Kontaktgespräch eher die Fakten betonen, die dem Betroffenen Hoffnung machen,  damit der Betroffene diesem Anwalt den Auftrag erteilt, gegen den Gemeindeentscheid zu rekurrieren (Einspruch erheben, an eine Oberinstanz einen Antrag stellen und Begründung[en] liefern ).

Es darf aber auch gesagt werden, dass es lautere Anwälte gibt, die wohlweislich in Anbetracht der Sachlage von einem Weiterzug an die nächsthöhere Instanz fairerweise abraten.

Und es gibt noch einen weiteren Grund, auf einen Rekurs zu verzichten: Die Schweiz ist klein, da begegnen sich auf allen Ebenen und Ebenen-übergreifend Juristen, die sich persönlich kennen, sei es vom Studium her, aus den Jahren in der Pfadi, oder vom gemeinsamen Militärdienst. Wenn es damals oder während den jährlich stattfindenden Wiederholungskursen unter Kameraden zu gemeinsamen Saufgelagen gekommen ist und man sich gut verstanden hat, kann das bei späteren Begegnungen und Verfahren, an dem Bekannte auf beiden Seiten sich begegnen, das seine Wirkung haben. Insbesondere dann, wenn diese Begegnung auf amtlicher Ebene stattfindet, wenn man sich in schwarzer Robe im Gerichtssaal wieder begegnet. Die Rollen sind dann vielleicht vertauscht, der Anwalt des Betroffenen Bürgers ist dann vielleicht der Bittende und im Militär war er gegenüber dem Richter der Vorgesetzte. Diese informellen oder früheren formellen Beziehungsgefüge können da komplizierte Beziehungsaspekte aktualisieren. Kommen dann noch alte durchlebte Frauengeschichten zum Tragen, können Konstellationen entstehen, die bisweilen skurrile Urteile hervorrufen. Resultat: Ausser Spesen, (konkret hohen Gerichtskosten und angsteinflössenden Anwaltshonoraren) nichts gewesen. Oder es trifft ein anderer Merksatz zu: Eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus. Und der Leidtragende ist immer wieder der betroffene Bürger nach dem Motto: «Den Letzten im Umzug beissen die Hunde».


Was folgt weiter:
- der Bürger macht die Faust im Sack, wird innerfamiliär hässig und mault böse herum, wenn seine Frau versucht, besänftigend zu wirken. Denn, sobald sie den Faden seiner Empörung nicht aufnimmt und nicht ebenso heftig über den Gemeindeerlass schimpft, signalisiert sie gegenüber ihrem Mann, dass sie es wagt, die Gegenposition einzunehmen. Das wiederum bewirkt im Mann die Reaktion, seinen Groll auch auf seine Frau auszudehnen. Kommen dann noch unpassende Bemerkungen der Kinder hinzu, passiert das, wo man sagt "der Kessel ist geflickt", konkret: Gemeindeerlasse restriktiver Art vermögen auch den Familienfrieden aufs Heftigste zu stören oder gar zu zerstören. 

- Der Betroffene versucht sein Glück, wie oben beschrieben beim Anwalt.

- Der Betroffene geht unangemeldet ins Gemeindehaus und beginnt ohne überhaupt zum zuständigen Sachbearbeiter durchgelassen zu werden, aus dem Stegreif, also meist völlig faktenfrei mit seiner lauten Schimpftirade. Resultat: Der Mann wird in der Folge von Neuem frustriert und vielleicht sogar gedemütigt. Seine Stimmung ist auf dem Nullpunkt, seine Aggressivität wächst, seine Zerstörungswut auch.

Publikumsverkehr hinter Panzerglas
Nicht umsonst wurden sämtliche Verwaltungsgebäude der Gemeinden, Statthalterämter und Gerichtsgebäude in den letzten Jahren massiv aufgerüstet. Der Zugang wurde gesperrt. Man muss zuerst durch eine Lautsprecheranlage Bericht geben, was man will und eine Kamera prüft, ob da nicht eine Horde Schläger mit Baseballschlägern um Einlass bitte. Zwischentüren wurden eingebaut, wo früher freier Zugang beidseits des langen Korridors zu allen Büros war und es wurde an allen Schaltern mit Publikumsverkehr schusssicheres Panzerglas montiert. Darauf spezialisierte Firmen hatten seit den Nullerjahren diesbezüglich Hochkonjunktur zum Einbau solcher Schikanen, um die Bürger fernzuhalten. Die Angst oder das schlechte Gewissen der "Beamten" und Behörden muss ausgeprägt vorhanden sein. In meiner Früheren Wohngemeinde sagte mir der Gemeindeschreiber, der in einem Glaspalast amtet, es komme wöchentlich mindestens zu einem Zwischenfall, wo geflucht und ausgerufen werde. Steigerungen sind möglich, die Glaswände lassen grüssen.

Die Entwicklung ist weiter im Gange
Noch – sagen wir mal als konkretes Beispiel 2025 -  nimmt der Gerichtspräsident von einem Landbezirk alleine am Tische sitzend im Coop-Restaurant sein Essen ein. Aber der Tag ist nicht mehr fern, an dem er, der regelmässig zugewanderte Autoraser hinter Gitter bringt, nur noch mit bewaffneten Bodygards sich hinter dem Panzerglas hervorwagt und die Öffentlichkeit nur streng bewacht aufsucht. Bald muss damit gerechnet werden, dass sämtliche öffentlichen Gebäude ganztags mit Securitys bestückt werden, eine Berufskategorie, die sich seit den Nullerjahren einer massiven Nachfrage erfreut. Und es wird die Diskussion aufkommen, ob private Security - Firmen ihr Personal bewaffnen dürfe, denn noch immer herrscht das Machtmonol des Staates. Diese Massnahmen könnten notwendig werden, denn es bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass die Annahme nicht ganz falsch ist, dass derzeit oder in Zukunft eine von Selbstzweifeln befreite Generation heranwächst, die restriktive Gemeinde- oder allgemein einschränkende Behördenerlasse nicht mehr zu schlucken gewillt ist. 

Allein schon deshalb ist es not-wendig, das Verhältnis Bürger - öffentliche Verwaltung einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel zu unterziehen. Wie der konkret aussehen könnte, wird hier separat später einmal aufgezeigt werden.