Zwar ist die Begegnung und die Behandlung freundlich, aber niemals zuvorkommend oder zugeneigt.
Einfach kühl, reserviert, förmlich, und eben alles in freundlichem Ton, unter Verwendung formaler, oder besser gesagt, formalistischer Sprache.
Formalistisch: An eine äusserliche (Gerichts) -) Form gebunden, kühl, distanziert, sich auf die bestehende Zivil-Prozess-Ordnung (ZPO) berufend, konventionell, steif, ohne jegliche empathische Beifügung, d.h. sich dem Beklagten auf menschlicher Ebene nicht begegnend. Andere, verwandte Stichworte: Unpersönlich, beamtenhaft.
Generell kann gesagt werden, dass ein Laie, der alleine auftritt und aus Kostengründen auf einen Anwalt verzichtet, schlechtere Karten hat. Es wäre verdienstvoll, wenn ein universitäres Institut einmal untersuchen würde, wie die Prozess ausgehen. Meine These: Wer keinen Anwalt bei sich hat, verliert vor Gericht ungleich viel öfter, sei es als Beklagter oder Kläger, als derjenige, der sich anwaltlich vertreten lässt. Das erkennt man bereits an der ersten Verhandlung. Da spricht der Richter den Gegenanwalt als «Herr Kollega» an. Das ist in der Schweiz gerichtsüblich, aber völlig daneben, denn der Richter sitzt oberhalb der beiden Parteien, und in der Mitte. Da ist ein «Kollege» nicht am Platz und diese Wortwahl muss unweigerlich verschwinden. Aber auch bei diesem kleinen Beispiel zeigt sich, wo der Haase hockt, und das Sprichwort mit der Krähe kennen Sie schon.
Dieses Kapitel soll nicht dazu verwendet werden, um generell oder speziell die Schweizer Gerichtspraxis zu beschreiben. Im Rahmen dieses Buches wird ohnehin vorwiegend nur auf das Bezirksgericht eingegangen, das für die Gemeindeeinwohner eines Bezirkes zuständig ist. Aber da wird bisweilen massiv überzogen, um dem Bürger zu vermitteln: «Wir reden zwar sehr freundlich zu dir, aber in unserem Hinterkopf bist du ein Nichts, und wenn du nicht spurst, bekommst du Kosten, dass dich das Liegen schmerzt. Wir sind hier, um dir zu sagen, was läuft, du kannst zwar ausführlich reden, wir hören dir zu, aber unsere Keule kommt im Nu». Kommt noch hinzu, dass vorgängig am Kanzleitisch, also im Hintergrund, vor der Verhandlung oftmals bereits vorbesprochen worden ist, wie das Urteil ausfallen wird. Diese Information habe ich von Praktikanten im privaten Gespräch mehrmals gehört, und genau das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Gerichtsverhandlungen um eine hohe Prozentzahl. Wer das weiss, fühlt sich - ganz höflich ausgedrückt - massiv veräppelt.
Wer z.B. eine «Scheidungsveranstaltung» vor Gericht mitgemacht hat, weiss, wovon die Rede ist. Und 40% der Leute, die den Fehler begehen, zu heiraten, können das bestätigen.
Es wird festgestellt, dass die Gerichte chronisch überlastet sind
Weshalb das so ist, müsste untersucht werden. Vielleicht kommt dann aber auch an den Tag, dass das Tempo der Arbeitsweise an den Gerichten sich mit der Privatindustrie nicht vergleichen lässt. Da geht es gemütlich zu und her, das zeigen allein schon die vielen aufgestellten Kaffeemaschinen. Als Autor muss ich hier aber als private Bemerkung beifügen, dass ich auf menschlicher Ebene mehrere gute Erfahrungen mit Gerichtsschreibern und anderem Personal und hie und da selbst mit dem langjährigen Gerichtspräsidenten gemacht habe, denn im Laufe der Jahre und der Anzahl der bearbeiteten Fälle (Streit mit vermögenden Mietern, oder Mietern als Sozialfälle, die nicht bezahlen oder rechtzeitig ausziehen wollten) kennt man sich allmählich und kommt sich auf auf schmalem Band auf menschlicher Ebene, im Gegensatz zu den vorigen Bemerkungen etwas näher, oder vermag da und dort einen juristischen Ratschlag zu erhaschen.
Die gerichtliche Überlastung kommt aber auch daher, dass bisweilen sachfremd und überaus kompliziert gearbeitet wird, wohingegen ein klitze-kleines Entgegenkommen dem Begehren-Stellenden innert 3 Minuten die Sache aus der Welt zu schaffen gewesen wäre. Dazu ein Beispiel:
Bei einem Scheidungsverfahren verlangte die Ehefrau, dass der Mann das Haus zu verlassen hätte, obwohl er sich beim Notar ein lebenslanges Wohnrecht ausbedungen hatte, als er sein altes, aufwändig renoviertes, schuldenfreies Haus für ein Trinkgeld seiner Ehefrau auf ihren Wunsch hin überschrieben hatte. Dieser Sachverhalt erforderte zwei Verhandlungen mit insgesamt 12 Stunden vor Gericht. Die zuständige Richterin veranlasste Vergleichsverhandlungen und nachdem die zwei Parteien zusammengesessen hatten und sich keine Lösung zeigte, fragte die Anwältin der Klägerin, wie das Gericht nun entscheiden würde, falls die Parteien zu keiner Einigung kämen. Da sagte die Richterin wörtlich: «Wenn ich entscheiden müsste, dann bleibt Herr Meienberg im Hause». Der Mann wird also nicht, wie von der Klägerin verlangt, aus dem Hause gewiesen.
Diese einfache Aussage führte dazu, dass die Klägerin endlich eine eigene Wohnung suchte und den Auszug in Aussicht stellte. Ein Protokoll wurde rechtswidrig den Parteien nicht zugestellt. Der Beklagte wollte aber in weiser Voraussicht, befürchtend, dass da allenfalls nicht alles schriftlich festgehalten würde, nämlich dass im Protokoll diese eine Aussage der Richterin notiert werde. Er forderte diesen Protokoll-Eintrag im Rahmen seiner Klageantwort, in der er alle seine Forderungen gegenüber seiner Ehefrau vorzubringen hatte.
Diese Klageantwort ging wiederum an die Gegenpartei zur Stellungnahme. Aber diese eine darin enthaltende Forderung des Beklagten, dass der richterliche Satz im Protokoll festgehalten werde, gefiel der Richterin nicht. Sie stellte dem Beklagten innert weniger Tage eine saftige Verfügung zu. Dies vermutlich deshalb, weil ihr diese seine Forderung offensichtlich sauer aufgestossen ist und sie diese schnell vom Tische haben wollte.
Sie erliess flugs eine Verfügung in der hochjuristisch auf ganzen fünf Seiten dargelegt worden ist, wonach der Mann den Satz: «Wenn ich entscheiden müsste, dann bleibt Herr Meienberg im Hause» nicht ins Protokoll geschrieben bekomme.
Der Mann machte dann Einsprache beim Obergericht, und dieses gab der Richterin recht und begründete nochmals wortreicht auf ganzen sieben Seiten, weshalb Herr Meienberg auf diesen Satz im Protokoll verzichten müsse. Aktueller Stand: Meienberg bleib weiterhin unbehelligt im Hause wohnen, allerdings trotz gegenteiligem Begehren der Anwältin seiner Frau, vom Gericht nicht protokollarisch festgehalten, alleine basierend auf dem an sich freiwilligen Wegzug seiner Ehefrau, den Sachverhalt aber gerichtlich nicht festgeschrieben.
Da muss man sich doch fragen: 1. Wozu haben wir ein Gericht? Und 2. darf im Gerichtsprotokoll nur das geschrieben stehen, was die Richterin willkürlich drin haben will und was nicht? Also ein Protokoll nach Belieben und momentaner Laune der Richterin?
Fazit: Das Gericht, oder die Gerichte inklusive Oberinstanz führen am normalbürgerlichen Sachversand vorbei hochbezahlt ein Eigenleben in eigener juristischer, kaum durchzublickender Sprache und führen einen wortreichen Affentanz auf, wohingegen wir unter uns sagen würden: «Na also, wenn du das im Protokoll haben möchtest, dann schreiben wir das rein, dann ist alles klar geregelt».
Gerichte haben am Volk vorbei ein gefährliches, arrogantes, distanzschaffendes und darüberhinausgehend ein sehr kostspieliges Eigenleben entwickelt. Von jeglicher Demokratie kilometerweit entfernt.
Antrag: Richter müssten alle drei Jahre neu gewählt werden und dürften nur während maximal neun Jahren am selben Gericht tätig sein. Danach hat der Stellenwechsel an ein anderes Gericht zu erfolgen. Also: Regelmässige Rotation, um zu entgehen der Korruption. Und Richter haben künftig in noch höherem Masse und obligatorisch jährlich regelmässig ein breites, mehrtägiges Weiterbildungsangebot zu absolvieren. Wer Tests nicht besteht, der geht, ohnehin und sofort bei reduzierter Empathie. Richter müssen tagtäglich mehrmals spüren, dass sie nicht eine sakrosankte, gottähnliche Position innehaben.